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Rangordnung und Dominanz im Hundetraining

… wird in der Literatur über Hunde schon seit 1910 vorausgesetzt.

Konrad Most "Leitfaden für die Abrichtung des Diensthundes" (1910)

Konrad Most war zu diesem Zeitpunkt königlich-preußischer Polizeikommissar, zuvor Leutnant im 1. Masurischen Infanterie-Regiment Nr. 146.


Im Jahr 1910 gab es noch keine Verhaltensbiologie und es war die Zeit des Militarismus.


Die Menschen kamen aus strikt hierarchischen Systemen, was auf Hunde projiziert wurde.


Grundlegende fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.


Aus dieser Zeit findet man im Hundetraining noch heute aversive Ansätze und Sprachgebräuche wie „Befehl“ und „Kommando“.








Konrad Most war eine prägende Figur in der frühen Entwicklung des Hundetrainings.

Sein Buch „Leitfaden für die Abrichtung des Diensthundes“ aus dem Jahr 1910 gilt als eines der ersten systematischen Werke zur Hundeerziehung. Mosts Methoden basierten stark auf militärischen Prinzipien und einer strikten Rangordnung, die er aus der Beobachtung von Hundemeuten ableitete. Dabei setzte er auf körperliche Dominanz und direkte Konfrontation, um die Hierarchie zwischen Mensch und Hund zu etablieren.


Diese Ansätze spiegelten die damalige gesellschaftliche Struktur wider, die stark von Hierarchien und Autorität geprägt war. Wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verhaltensbiologie gab es zu dieser Zeit noch nicht, sodass viele Trainingsmethoden auf Annahmen und militärischen Prinzipien beruhten. Erst später, mit der Entwicklung der Verhaltensforschung, wurden alternative, positivere Trainingsmethoden populär, die auf Kooperation und Motivation statt auf Zwang basieren.


Die Verhaltensbiologie, auch Ethologie genannt, entwickelte sich als eigenständige wissenschaftliche Disziplin im 20. Jahrhundert mit Wissenschaftlern wie Konrad Lorenz, Nikolaas Tinbergen und Karl von Frisch, die für ihre Arbeiten zur Tierkommunikation und zum Instinktverhalten 1973 den Nobelpreis erhielten.


Interessanterweise beeinflusste Mosts Werk das Hundetraining über Jahrzehnte hinweg, insbesondere in Polizei- und Militärkreisen. Einige seiner Begriffe wie „Befehl“ und „Kommando“ sind bis heute im Sprachgebrauch des aversiven Hundetrainings erhalten geblieben.


Konrad Mosts Trainingsmethoden basierten auf einer Kombination aus Zwang und Anreizen. Er erkannte früh die Bedeutung von instinktivem Verhalten wie dem Beutetrieb und nutzte es gezielt zur Ausbildung von Hunden. Seine Ansätze beinhalteten:

  • Primäre und sekundäre Verstärker: Er unterschied zwischen direkten Belohnungen (z. B. Futter) und konditionierten Verstärkern (z. B. Lob oder bestimmte Signale).

  • Verhaltensformung und Kettenbildung: Most beschrieb, wie komplexe Verhaltensweisen durch schrittweises Training aufgebaut werden können.

  • Timing von Belohnung und Strafe: Er betonte die Wichtigkeit des richtigen Zeitpunkts für Verstärkung oder Korrektur.

  • Einsatz von Zwangsmitteln: Seine Methoden beinhalteten auch den Einsatz von Stachelhalsbändern und anderen aversiven Techniken, die heute als überholt gelten.


Obwohl seine Methoden in Polizei- und Militärkreisen lange Zeit Standard waren, sind viele seiner Ansätze heute umstritten.


Konrad Mosts Methoden unterschieden sich erheblich von modernen Hundetrainingsansätzen. Während Most stark auf Zwang und Dominanz setzte, bevorzugen heutige Methoden positive Verstärkung und Kooperation. Hier sind einige zentrale Unterschiede:

  • Dominanz vs. Partnerschaft: Most glaubte, dass eine klare Rangordnung durch körperliche Auseinandersetzung hergestellt werden müsse: „Ebenso wie in der Hundemeute kann die Rangordnung nur durch den körperlichen Kampf hergestellt werden, und zwar durch einen Kampf, bei dem der Mensch auf eine dem Hund unmissverständlichen Art als unmittelbarer Sieger hervorgeht.“ Moderne Trainer hingegen setzen auf eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Mensch und Hund.

  • Zwangsmittel vs. Belohnungssysteme: Most verwendete Stachelhalsbänder und andere aversive Techniken, um unerwünschtes Verhalten zu korrigieren. Heute wird stattdessen mit Belohnungen wie Futter, Spielzeug oder Lob gearbeitet.

  • Instinktsteuerung vs. Verhaltenswissenschaft: Most nutzte den Beutetrieb als Grundlage für das Training, während moderne Ansätze auf wissenschaftliche Erkenntnisse der Verhaltensbiologie und Lernpsychologie setzen.

  • Strikte Hierarchie vs. Individuelle Anpassung: Früher wurde ein standardisiertes Training für alle Hunde angewendet, heute wird das Training individuell auf die Bedürfnisse und Persönlichkeit des Hundes abgestimmt.

Es gibt zahlreiche aktuelle Studien, die die Dominanztheorie kritisch hinterfragen und moderne Ansätze im Hundetraining beleuchten. Ein Paradigmenwechsel hat sich vollzogen, weg von dominanzbasierten Methoden hin zu wissenschaftlich fundierten, beziehungsorientierten Trainingsansätzen.

 

Einige wichtige Erkenntnisse:

  • Dominanztheorie widerlegt: Studien zeigen, dass Hunde keine starren Hierarchien wie Wölfe in Gefangenschaft haben. Forschungen von Bradshaw, Blackwell und Casey (2009) belegen, dass Hunde eher durch soziale Lernprozesse als durch Machtkämpfe lernen.

  • Von Strafe zu positiver Verstärkung: Moderne Trainingsmethoden setzen auf Kooperation und Motivation statt auf Zwang. Ádám Miklósi et al. (2003) fanden heraus, dass Hunde durch positive Interaktionen mit Menschen effektiver lernen.

  • Missverständnisse über Rangordnung: Die Dominanztheorie basierte auf fehlerhaften Interpretationen von Wolfsrudeln. Dr. L. David Mech widerlegte den Begriff „Alpha-Wolf“ und zeigte, dass Wölfe in Familienverbänden leben, die auf Kooperation beruhen.


Ergänzend zu diesem Thema kannst Du Dir diesen Artikel ansehen:

- Paradigmenwechsel im Hundetraining - (https://ibh-hundeschulen.org/allgemein/paradigmenwechsel-im-hundetraining-von-dominanz-kontrolle-und-widerstaenden/)

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